Oolong Tee gilt in der Welt des Tees als wahres Mysterium. Weder ganz grüner noch ganz schwarzer Tee, vereint er das Beste beider Welten. Sein Name bedeutet „schwarzer Drache“ – und genau so faszinierend und wandelbar präsentiert er sich in der Tasse. Von zart-blumig bis kräftig-malzig eröffnet Oolong eine Geschmacksvielfalt, die Teeliebhaber auf eine besondere Entdeckungsreise einlädt.

Verarbeitung – die Kunst hinter dem Oolong Tee
Die Herstellung von Oolong Tee ist eine der aufwändigsten in der gesamten Teewelt. Jeder Arbeitsschritt wird präzise gesteuert, und schon kleine Unterschiede in Temperatur, Dauer oder Technik können ein völlig neues Geschmacksprofil entstehen lassen. Anders als bei Grün- oder Schwarztee gibt es beim Oolong kein starres Rezept, sondern ein breites Spektrum an Methoden, die von Region zu Region und oft sogar von Teemeister zu Teemeister variieren.
Pflücken – der erste Schritt
Traditionell werden beim Oolong die zwei obersten Blätter und die junge Knospe geerntet. In Taiwan spricht man von „ein Herz, zwei Blätter“. Die Pflückung erfolgt meist von Hand, da für die komplexe Verarbeitung nur unversehrte Blätter geeignet sind.
Welken in der Sonne
Direkt nach der Ernte werden die Blätter für einige Stunden in Bambuskörben oder auf Matten in der Sonne ausgebreitet. Dieses Sonnenwelken entzieht den Blättern Feuchtigkeit, macht sie geschmeidiger und setzt erste Duftstoffe frei. Es ist der Moment, in dem sich die spätere Aromarichtung bereits andeutet.
Schütteln und Ruhen
Ein besonderer Arbeitsschritt beim Oolong ist das wiederholte Schütteln der Blätter in großen Bambustrommeln. Dabei brechen die Blattränder leicht auf, sodass Sauerstoff eindringen kann. Anschließend ruhen die Blätter wieder. Dieser Prozess wird oft mehrere Male wiederholt – ein Wechselspiel aus Bewegung und Ruhe, das über die Intensität der Oxidation entscheidet.
- Leicht oxidierte Oolongs werden nur sanft geschüttelt.
- Stärker oxidierte Oolongs durchlaufen längere und intensivere Rüttelzyklen.
Fixieren (Erhitzen)
Um die gewünschte Oxidationsstufe zu stoppen, werden die Blätter anschließend kurz erhitzt. Dies kann über Wok-ähnliche Pfannen, in modernen Trommeln oder traditionell über Holzkohle erfolgen. Dieses sogenannte „Kill-Green“ (auf Chinesisch Sha Qing) bewahrt die charakteristischen Aromen und sorgt für Haltbarkeit.
Rollen und Formen
Danach werden die Blätter mehrfach gerollt, geknetet oder gedrückt. Dadurch tritt Zellsaft aus, der sich beim späteren Aufguss im Wasser verteilt und dem Tee seinen vollen Geschmack gibt. Manche Oolongs werden dabei zu festen Kügelchen geformt (z. B. Tie Guan Yin), andere behalten eine eher längliche, verdrehte Form.
Rösten und Nachbearbeiten
Einige Oolongs werden im letzten Schritt noch über Holzkohle oder in speziellen Öfen geröstet. Die Intensität reicht von leichter Trocknung bis zu mehrstündigem, kräftigem Rösten.
- Leicht geröstete Oolongs bewahren ihre floralen und grünen Noten.
- Stark geröstete Oolongs entwickeln süßliche, karamellige und manchmal schokoladige Anklänge.
Manche Tees ruhen nach der Röstung sogar mehrere Monate und werden erneut erhitzt („re-roasted“), um noch mehr Tiefe zu entfalten.
Herkunft und Geschichte des Oolong Tees
Die Geschichte des Oolong Tees ist eng mit der chinesischen Teekultur verbunden und reicht mehrere Jahrhunderte zurück. Seine Entstehung wird meist in der Provinz Fujian verortet, genauer in den berühmten Wuyi-Bergen und im Anxi-Gebiet. Dort entwickelten Teemeister im Laufe der Ming-Dynastie (1368–1644) neue Techniken, um die Oxidation der Blätter bewusst zu steuern. Das Ergebnis war ein Tee, der sich geschmacklich zwischen den bekannten Kategorien Grün- und Schwarztee bewegte – der Oolong war geboren.
Legenden und Namensgebung
Wie so oft in der chinesischen Teekultur ranken sich Legenden um den Ursprung des Namens. Eine Geschichte erzählt von einem Teebauer namens Wu Liang, der während der Ernte von einem Wildtier abgelenkt wurde. Als er zu den bereits welken Blättern zurückkehrte, hatten diese eine besondere Farbe angenommen und einen neuartigen Geschmack entwickelt. Aus „Wu Liang“ wurde mit der Zeit „Wulong“ – auf Chinesisch „schwarzer Drache“.
Andere Erklärungen führen den Namen auf die dunkle, drachenähnlich geschwungene Form der gerollten Teeblätter zurück. Sicher ist: „Oolong“ steht für eine faszinierende Mischung aus Mythos, Handwerk und Natur.
Verbreitung nach Taiwan
Im 19. Jahrhundert brachten chinesische Teebauern die Kunst der Oolong-Herstellung nach Taiwan, wo sich die Insel rasch als zweite Heimat dieser Tees etablierte. Vor allem in den Hochlagen Taiwans – etwa in den Regionen Dong Ding, Alishan und Lishan – entstanden neue Stile. Das dortige Klima mit kühlen Nächten und feuchtem Nebel begünstigte besonders aromatische, blumige Oolongs.
Oolong auf dem Weltmarkt
Im Westen wurde Oolong zunächst als „Formosa Oolong“ bekannt – benannt nach dem alten Namen Taiwans („Formosa“ = die Schöne). Schon Ende des 19. Jahrhunderts exportierte Taiwan große Mengen nach Europa und Amerika. Vor allem die edlen, halbkugeligen Oolongs fanden rasch Liebhaber, da sie sich von den klassischen Schwarz- und Grüntees deutlich unterschieden.
Heute – Vielfalt und Moderne
Heute gilt Oolong als eine der vielseitigsten Teekategorien weltweit. Neben den klassischen Anbaugebieten in China und Taiwan experimentieren auch Länder wie Thailand, Indien oder Nepal mit der Herstellung. Dadurch entstehen neue Varianten, die traditionelle Techniken aufnehmen und mit regionalen Eigenheiten kombinieren.
Fazit
Oolong Tee ist weit mehr als eine Zwischenstufe zwischen Grün- und Schwarztee – er ist eine eigene Welt voller Tradition, Handwerkskunst und Genuss. Seine Wurzeln reichen bis ins alte China, wo Teemeister in den Bergen Fujian und später in Taiwan die Kunst der Teiloxidation entwickelten. Aus dieser Tradition entstanden Tees, die heute weltweit geschätzt werden – von den floralen Hochland-Oolongs Taiwans bis zu den mineralischen Felsentees aus Wuyi.
Die aufwendige Verarbeitung – mit Welken, Schütteln, Rollen und Röstungen – macht Oolong zu einer der komplexesten Teekategorien überhaupt. Jeder Schritt eröffnet neue Aromadimensionen und gibt dem Tee seinen unverwechselbaren Charakter. Dadurch ist Oolong nicht nur ein Getränk, sondern auch ein Ausdruck von Kultur und Handwerkskunst, die über Jahrhunderte verfeinert wurde.
Wer Oolong probiert, begibt sich auf eine Entdeckungsreise: kein Aufguss gleicht dem anderen, und jede Sorte erzählt ihre eigene Geschichte. Genau das macht Oolong Tee zu einem wahren Schatz für TeeliebhaberInnen – geheimnisvoll, facettenreich und voller Möglichkeiten, immer wieder Neues zu entdecken.